Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

Anlage A zur Anlage 1 des Anhangs II - Ermittlung der Seilkräfte

1. Vorbemerkungen

Diese Anlage dient der Berechnung von räumlichen Seiltragwerken unter Einwirkung von Eigenlast, Wind und wandernden Einzellasten aus Zug am Gierseil. In dieser Anlage ist unter Ansatz vereinfachender Annahme eine Möglichkeit für eine Handrechnung bei Angriff einer Einzellast in Fährseilmitte aufgezeigt. Weitere einer Handrechnung zugängliche Berechnungsverfahren können z. B. [1] entnommen werden.

2. Gierseil

Bei einem straff gespannten Gierseil ergibt sich die Seilkraft ZG am oberen Ende des Gierseils zu

Formel A.1

(A.1)

mit

Hpstromparallele horizontale Kraftkomponente aus Strömung
HWstromparallele horizontale Kraftkomponente aus Wind
gGEigengewicht des Gierseils
lGGierseillänge
aGProjektion des Gierseils in die Horizontale
fGProjektion des Gierseils in die Vertikale

und

Formel A.2

(A.2)

mit

ZG,Hstromparallele horizontale Kraftkomponente der Kraft ZG im Gierseil
ZG,Vvertikale Kraftkomponente der Kraft ZG im Gierseil.

Abbildung A.2.1 zeigt die Geometrie des Gierseils sowie die angreifenden Kräfte.

Abbildung A.2.1: Geometrie und Kräfte des Gierseils

Abbildung A.2.1: Geometrie und Kräfte des Gierseils

Zur Ermittlung der Komponenten ZG,H und ZG,V kann in erster Näherung davon ausgegangen werden, dass die Tragseilebene ebenfalls unter dem Winkel α gegen die Horizontale geneigt ist.

3. Tragseil

3.1 Geometrie

Für ein flach zwischen zwei gleich hoch liegenden Aufhängepunkten gespanntes Seil (l >> f) kann mit guter Näherung die Parabel

Formel A.3

(A.3)

angenommen werden (Abbildung A.3.1). Für die Seillänge l kann bei einem flach gespannten Seil in guter Näherung

Formel A.4

(A.4)

angenommen werden.

Abbildung A.3.1: Tragseilgeometrie

Abbildung A.3.1: Tragseilgeometrie

3.2 Seilkräfte

3.2.1 Ermittlung der Kräfte

Die aus Eigenlast, Windlast und Gierseilkraft im Tragseil wirkenden Seilkräfte werden jeweils mit ihren Komponenten ZT,V, ZT,H und ZT,N ermittelt und überlagert. Die einzelnen Komponenten der Seilkräfte des Tragseils sind wie folgt definiert:

ZT,Vvertikaler Anteil der Seilkraft am Auflager, Druckkraft in Mast
ZT,Hstromparallele Komponente der Seilkraft am Auflager
ZT,Nin Spannrichtung des Tragseils wirkende Komponente der Seilkraft am Auflager
ZTmaximale Seilkraft

Es wird vereinfacht davon ausgegangen, dass sich der Durchhang sowie dessen Vergrößerung infolge Seildehnung linear addieren.

3.2.2 Eigenlast

Die Komponenten der Seilkraft ZT,g infolge der Eigenlast gT ergeben sich wie folgt:

Formel A.5

(A.5)

Formel A.6

(A.6)

Formel A.7

(A.7)

und mit Berücksichtigung der Seildehnung

Formel A.8

(A.8)

Die maximale Seilkraft beträgt

Formel A.9

(A.9)

oder

Formel A.10

(A.10)

3.2.3 Windlast

Die Komponenten der Seilkraft ZT,w infolge der Windlast wT ergeben sich wie folgt:

Formel A.11

(A.11)

Formel A.12

(A.12)

Formel A.13

(A.13)

Mit Berücksichtigung der Seildehnung erhält man

Formel A.14

(A.14)

Die Seilkraft beträgt

Formel A.15

(A.15)

oder

Formel A.16

(A.16)

3.2.4 Gierseilkraft

Die Komponenten der Seilkraft ZT,G infolge der Gierseilkraft ZG ergeben sich wie folgt:

Formel A.17

(A.17)

Formel A.18

(A.18)

Formel A.19

(A.19)

und der Seilkraft

Formel A.20

(A.20)

oder bei Berücksichtigung der Seildehnung

Formel A.21

(A.21)

3.2.5 Resultierende Seilkraft ZT

Die Komponenten der resultierenden Seilkraft ZT ergeben sich aus der Summe der Komponenten der zuvor angegebenen Teilkräfte (Abbildung A.3.2):

Formel A.22

(A.22)

Formel A.23

(A.23)

Formel A.24

(A.24)

Die maximale Seilkraft erhält man aus

Formel A.25

(A.25)

Abbildung A.3.2: Tragseilkräfte im Raum

Abbildung A.3.2: Tragseilkräfte im Raum

3.3 Seildehnung

Da sowohl Wind als auch Eigengewicht nicht als Einzellast sondern über die ganze Länge des Tragseils angreifen, wird davon ausgegangen, dass eine Seildehnung nur durch die Kraft aus dem Gierseil hervorgerufen wird. Infolge der im Seil wirkenden Seilkraft ZG entsteht eine Seildehnung ΔlT

Formel A.26

(A.26)

mit

lTSeillänge unter Eigenlast
l’Tgedehnte Seillänge unter Eigenlast und Zugkraft ZG

Abbildung A.3.3: Seildehnung

Abbildung A.3.3: Seildehnung

Für die Seillänge (Abbildung A.3.3) kann bei einem flach gespannten Seil in guter Näherung zu

Formel A.27

(A.27)

mit

ZZugkraft im Seil
EVerformungsmodul des Seils nach DIN EN 1993-1-11
Ammetallische Querschnittsfläche des Tragseils nach DIN EN 1993-1-11

angenommen werden.

Infolge des vergrößerten Seildurchhangs in der Seilebene

Formel A.28

(A.28)

werden die geometrischen und statischen Verhältnisse verändert. Die Seilkraft mit Seildehnung wird über den Korrekturfaktor

Formel A.29

(A.29)

mit

ZTSeilkraft ohne Seildehnung
Z'TSeilkraft mit Seildehnung

erfasst.

Abbildung A.3.4: Kräftegleichgewicht für das Tragseil mit und ohne Seildehnung bei angreifender Seilkraft ZG

Abbildung A.3.4:  Kräftegleichgewicht für das Tragseil mit und ohne Seildehnung bei angreifender Seilkraft ZG

Nach Abbildung A.3.4 erhält man den Korrekturfaktor über

Formel A.30

(A.30)

Der Korrekturfaktor ς ergibt sich zu

Formel A.31

(A.31)

Die Gleichung kann für eine iterative Berechnung des Korrekturfaktors ς und mit Hilfe der Näherung ZT zur Berechnung von

Formel A.32

(A.32)

verwendet werden.

Bemerkenswert ist, dass bei gleichbleibendem Winkel τ1 der Fehler völlig unabhängig von der Fährseillänge und vom Mastabstand ist. Interessiert man sich für die Auswirkung des Mastabstandes auf den Fehler, so kann man auch folgende umgeschriebene Formel verwenden:

Formel A.33

(A.33)

Seildehnungen infolge Temperaturänderungen und deren Einfluss auf die Kräfte im Tragseil sind gesondert zu erfassen.

4. Abspannseile

In der Regel werden die Masten durch Abspannseile quer zur Strömungsrichtung und parallel zur Strömungsrichtung abgefangen. Für die Bemessung der Abspannseile anzusetzenden Einwirkungen ergeben sich aus den Kräften ZT,H und ZT,N des Tragseils sowie aus Wind. Seillängenänderungen infolge Temperaturänderung sind bei der Ermittlung der maßgebenden Seilkräfte zu berücksichtigen.

Die Komponente ZT,V aus dem Tragseil sowie Eigengewicht werden als Normalkräfte über den Mast abgetragen.

5. Schrifttum

[1] Petersen, Chr.: Stahlbau. Grundlagen der Berechnung und baulichen Ausbildung von Stahlbauten. Wiesbaden 2013

Stand: 18. Januar 2022